Bei bestem Wetter sitze ich an der
Train-Station False Bay. Ganz wie gewohnt bin ich zum Ticket Office
gegangen, habe eine Fahrkarte erstanden und mich zum warten auf eine
Eisenstange gesetzt. Ich habe mich auf eine langweilige Wartezeit
eingestellt, wie aus Deutschland gewohnt. Doch kaum habe ich mich
hingesetzt fängt der Mann neben mir an zu erzählen. Wo ich denn
arbeite, möchte er wissen und wie ich Capetown finde. Immer wieder
fragt er, ob das hier sehr anders ist als Deutschland, denn seine
weiteste Reise ging nach Johannesburg. Angenehm überrascht fange
auch ich an zu erzählen, es entwickelt sich ein wirklich nettes
Gespräch. Hätte sich das ganze in Deutschland abgespielt, wäre ich
wahrscheinlich nicht auf ein Gespräch eingegangen und ich hätte die
Person für merkwürdig erklärt.
Aber das hier ist viel besser, auch
wenn man sich vielleicht nie wieder sieht, die Menschen gehen auf
einen zu (sicher auch weil man als weißer einfach auffällt) und
reden erst einmal mit einem. Ähnlich war das Im Township. Meine
Gastfamilie besteht aus Tamzet (dem Vater), Koliswa (der Mutter) und
drei Kindern.
Auf dem Bild zu sehen: Tamzet, mein Gastvater in der Mitte Khanya, meine Gastschwester und rechts Koliswa, meine Gastmutter
Allesamt sind sie sehr Hilfsbereit und bringen mir mit
viel Freude die Stammessprache Xhosa bei.
Das Haus ist prima, denn es wird häufig
neu gestrichen! Als ich ankam sah man die frische weiße Farbe und
darunter noch das alte rosa, gerade wird das Haus in braun
gestrichen. Es ist zwar nicht groß und auch nicht besonders gut in
Schuss, ich fühle mich aber rundum wohl. Kaum ging ich am ersten Tag
auf die Straße, stellten sich mir eine Menge Leute vor, mit einigen
spielte ich Fußball. So lernte ich Samkelo und den Rest seiner Crew
kennen, sie sind allesamt ein wenig jünger als ich und rappen
zusammen. Mit Sam habe ich schon vieles Unternommen. Nach der Schule
ging es zum Beispiel ins Stadion, wir fuhren in einem Minibus
vollgepackt mit Sundowns-Fans (aus Pretoria), bei einer unglaublich
lustigen Stimmung. Auch das Fußballspiel war ein Erlebnis, es
spielten Ajax Capetown gegen die Sundowns. Mir wurden von den Fans
alle möglichen Sundowns-Lieder beigebracht und neben dem Gesang
musste ich feststellen: Die Vuvuzela lebt noch!
Das Fußballspiel. Den Mann links kenne ich nicht, er hat mir aber unermüdlich Sundowns-Lieder beigebracht. In der Mitte ist Samkelo
Die Godfellaz Rap-Crew aus Khayelitsha und ich!
Gestern hat sich endlich die
Gelegenheit zum Joggen gefunden: Ich habe beim Khayelitsha fun-run
mitgemacht. Dazu musste ich vorher mit meinem kleinen Gastbruder zur
Radiostation von Khayelitsha gehen und mich anmelden. Als Sam von
meinem Vorhaben erfuhr, meldete er sich kurzentschlossen ebenfalls
an. Also stand ich um sechs Uhr morgens auf, und fand mich um sieben
Uhr beim Startpunkt ein. Mir bot sich ein unglaubliches Bild:
Menschen denen man ansah dass sie arm waren hatten kaputte Schuhe,
eine zerrissene Hose und einen ebenso zerrissenen Pullover. Trotzdem
machten sie sich warm für den Lauf, den sie nicht verpassen wollten.
Es gab keine Startzeit, als der Mann mit dem Mikrofon sich
entschieden hatte dass alle da waren gab er den Startschuss. Es ging
durch viele Gebiete von Khayelitsha, und ich konnte nicht anders als
mich beim Laufen interessiert umzusehen. Im Ziel wurde nicht gezählt,
auch meine Zeit musste ich von der einzigen vorhandenen Stoppuhr
ablesen und mir merken ( 9Km / 40min! ). Im Ziel unterhielt ich mich
mit Sam, bis ich von einer mir unbekannten Person mitgezerrt wurde.
Ich wurde in einen Van beordert und drinnen erfuhr ich: es gibt ein
Radiointerview mit mir und zwei anderen Läufern! Als einziger Mlungu
(weißer) war ich für die Moderatoren am interessantesten und ich
wurde über alles ausgefragt. Ich konnte sogar schon mit einigen
Xhosa-Kenntnissen glänzen wie (Molo (Hallo), ewe (Ja), Kunjani (wie
geht’s?) und diphelele nam (mir geht’s gut)).
Als ich dann zur Zenzeleni-Schule kam,
um bei dem stattfindenden Aktionstag mitzuhelfen, kamen einige Lehrer
zu mir: „Jonas, wir haben dich im Radio gehört!“. Nun kennt mich also schon halb Khayelitsha...