Donnerstag, 8. Mai 2014

WAHLTAG UND DIE AUSSICHTEN – Ein Plädoyer für nichts

Gestern waren die Wahlen in Südafrika. Ich wollte eigentlich schon seit Wochen mehr über die Parteien und deren Programme lesen. Das hat nie geklappt. Ich lese hier keine Zeitung und bin so gut wie nie Internet, schon gar nicht zum surfen. Dieser Mittwoch war ein freier Tag, Public Holiday. Die meisten Menschen hatten Frei.
Nun, am gestrigen Wahltag hatte auch ich Zeit. Als ich an der Bushaltestelle wartete, konnte ich das meiner Section nächstgelegene Wahllokal beobachten. Ein ungefähr doppelt so großer Werbestand des ANC (African National Congress) stand einem kleineren der DA (Democratic Alliance) gegenüber – die beiden größten Parteien. Die Stimmung war gut, genau wie das Wetter. Freundlich grüßende Menschen passierten die Bushaltestelle, ein Herr kam zu den an der Bushaltestelle wartenden Menschen, schüttelte ihnen und mir die Hand, wünschte einen schönen Tag. Sehr angenehm, Kontakte ohne die anschließende Frage nach ein paar Rand zu haben. Viele Minitaxis waren mit ANC-Flaggen bestückt und nicht selten schallten ANC-supportende Rufe über die Straße.
Im Bus setzte ich mich ans Fenster und beobachtete die Lage in Khayelitsha. Nie zuvor habe ich so viele Menschen außerhalb der Häuser gesehen: In kleinen Gruppen zogen sie durch die Gassen, viele von ihnen auf dem Weg zum wählen. Andere standen vor ihrer Haustür, wuschen Wäsche in Bottichen. Andere wieder starteten neue Projekte, als hätten sie nicht einen Tag, sondern mehrere Wochen frei. Bretter für Shack-Anbauten wurden zurecht gesägt, verrostete Nägel aus den Brettern entfernt, einige Schaks hatten nicht sehr stabile aber gut gemeinte Vorrichtungen für den neuen Anbau. Khayelitsha war am pulsieren. In den Schack-Gebieten wo keine öffentlichen Gebäude waren in denen man die Wahlen hätte abhalten können, wurden große Zelte errichtet. Sie standen windschief auf den vermüllten Wiesen mit der Aufschrift „Voting station“. Da die Supermärkte geschlossen waren, blühte das Geschäft der Straßenverkäufer. Die aus Holzbrettern bestehenden Stände bogen sich unter der Last von Orangen, Äpfeln und Weintrauben.
Immer wieder hörte ich in den letzten Tagen von der sogenannten „Born free“-Generation. Die erste Generation die nicht im Apartheid-System geboren wurde und nun wählen darf. Zuma sollte um seine Wiederwahl bangen, hieß es.
Es gibt die „Born free“-Generation, gar keine Zweifel. Aber ich habe noch nie so sehr von den Eltern abhängige jugendliche erlebt wie hier in Südafrika.
„Ich würde den Traum meiner Vorfahren zerstören, wenn ich nicht den ANC wähle“ höre ich immer wieder. Außerdem ist es hier üblich, dass längst erwachsene junge Menschen bis sie dreißig Jahre alt sind bei ihren Eltern leben. Den Eltern wird aufs Wort gehorcht und vor allem Mädchen, selbst wenn sie über zwanzig Jahre alt sind, verschweigen ihren Eltern dass sie in einer Beziehung sind. Das zeugt von höchsten Respekt den älteren gegenüber. Diese Generation ist vielleicht „Born free“ aber es herrscht keine starke Meinungsfreiheit. Niemals würden sie die Linie der Vorfahren brechen und eine andere Partei als den ANC wählen. Es ist ihnen egal wie weit die Korruptionsvorwürfe gehen, der ANC hat nach der Apartheid viel für die Bürger gemacht, aber auch viel falsch gemacht.
Eine Alternative zum ANC wäre die DA. Helen Zille, eine weiße, steht an der Spitze. In der gesamten Führungsriege sind nur zwei schwarze und ein coloured Politiker vertreten. Auch wenn diese Partei eine bis jetzt nicht korrupt aufgetreten ist, ist es doch verständlich dass sie nicht allen Zuspruch bekommt. Ihre Führung, mag sie auch noch so sehr für die schwarze Bevölkerung Südafrikas arbeiten, besteht aus mehr als der Hälfte weißer Politiker. In Wirklichkeit stellen die weißen Südafrikaner eine Minderheit von knapp 9% dar.
Eine wenig andere Alternative wären noch die EFF, die Economic Freedom Fighters um Julius Malema, dem früheren Jugend-Präsidenten des ANC. Er ist ein charismatischer Vorsitzender, lebt aber ein ähnliches Leben wie Zuma, bestehend aus teuren Autos, Frauen und Luxusbauten. Im Wahlkampf glänzt Malema mit haltlosen Versprechungen, zum Beispiel Sozialhilfen zu verdoppeln. Wenn eine Person 1200 Rand Hilfen bekommen würde, würde sie bei einem Wahlsieg Malemas fortan 2400 Rand bekommen. Mit der Wahl der EFF fiele die Wahl wieder auf Korruption und unhaltbare Versprechungen.


Am schwersten hat es die coloured-Minderheit Südafrikas. Wie die weiße Bevölkerung stellt sie eine Minderheit von knapp 9% dar. In der Apartheid-Zeit hatten sie nicht die Rechte der weißen, hatten aber auch nicht so stark zu leiden wie die Schwarzen. Dem Apartheid-System waren die Coloureds nicht weiß genug, nun sind sie nicht schwarz genug. Der ANC schmähte in den letzten Jahren Hilfen für die coloured-Townships, es wurden keine Regierungshäuser gebaut wie in den Townships der schwarzen Bevölkerung. Sollen sie etwa noch den ANC wählen?
Oder sollen sie die DA um Helen Zille wählen, mit einem einzigen coloured-Politiker in der Parteiführung?
Die schwarze Mehrheit in Südafrika, fast 80%, kann dagegen entscheiden: Der ANC ist eine weitgehend schwarze Partei, ebenso wie die EFF und der COPE (Congress of the People).
Sollte ich kleiner, weißer, deutscher, nicht wahlberechtigter Bürger hier wählen dürfen: ich würde mein Kreuz über den ganzen Stimmzettel machen.
Das ist ein bisschen destruktiv und es gibt viele kleine Parteien deren Wahlprogramm danach ruft für sie zu stimmen, aber das Problem dabei ist: die kleinen Parteien sind in bestimmten Regionen Südafrikas entstanden und basieren auf den Problemen dieser Region. Die NFP (National Freedom Party) kann in Kwa Zulu Natal prima regieren, wäre aber mit dem ganzen Land heillos überfordert. Eine weitere Gefahr bei der Wahl kleinerer Parteien wäre, dass sie der Provinz der sie entstammen eine starke Weiterentwicklung ermöglichen würden, den anderen Provinzen nicht.
Südafrika befindet sich in einer sehr eindeutigen aber nicht zufriedenstellenden politischen Lage, deshalb ist es wohl für die Einwohner das beste, die Partei zu wählen die in Südafrika das Ende der Apartheid bedeutet: den ANC.
Ich tippe der ANC wird keine zwei drittel Mehrheit erlangen, daher mit den anderen Parteien im Parlament zusammen arbeiten müssen, wird aber auch die fünften demokratischen Wahlen deutlich gewinnen.