Sonntag, 6. Oktober 2013

Fremde Freundlichkeit

Bei bestem Wetter sitze ich an der Train-Station False Bay. Ganz wie gewohnt bin ich zum Ticket Office gegangen, habe eine Fahrkarte erstanden und mich zum warten auf eine Eisenstange gesetzt. Ich habe mich auf eine langweilige Wartezeit eingestellt, wie aus Deutschland gewohnt. Doch kaum habe ich mich hingesetzt fängt der Mann neben mir an zu erzählen. Wo ich denn arbeite, möchte er wissen und wie ich Capetown finde. Immer wieder fragt er, ob das hier sehr anders ist als Deutschland, denn seine weiteste Reise ging nach Johannesburg. Angenehm überrascht fange auch ich an zu erzählen, es entwickelt sich ein wirklich nettes Gespräch. Hätte sich das ganze in Deutschland abgespielt, wäre ich wahrscheinlich nicht auf ein Gespräch eingegangen und ich hätte die Person für merkwürdig erklärt.
Aber das hier ist viel besser, auch wenn man sich vielleicht nie wieder sieht, die Menschen gehen auf einen zu (sicher auch weil man als weißer einfach auffällt) und reden erst einmal mit einem. Ähnlich war das Im Township. Meine Gastfamilie besteht aus Tamzet (dem Vater), Koliswa (der Mutter) und drei Kindern.
Auf dem Bild zu sehen: Tamzet, mein Gastvater in der Mitte Khanya, meine Gastschwester und rechts Koliswa, meine Gastmutter

Allesamt sind sie sehr Hilfsbereit und bringen mir mit viel Freude die Stammessprache Xhosa bei.
Das Haus ist prima, denn es wird häufig neu gestrichen! Als ich ankam sah man die frische weiße Farbe und darunter noch das alte rosa, gerade wird das Haus in braun gestrichen. Es ist zwar nicht groß und auch nicht besonders gut in Schuss, ich fühle mich aber rundum wohl. Kaum ging ich am ersten Tag auf die Straße, stellten sich mir eine Menge Leute vor, mit einigen spielte ich Fußball. So lernte ich Samkelo und den Rest seiner Crew kennen, sie sind allesamt ein wenig jünger als ich und rappen zusammen. Mit Sam habe ich schon vieles Unternommen. Nach der Schule ging es zum Beispiel ins Stadion, wir fuhren in einem Minibus vollgepackt mit Sundowns-Fans (aus Pretoria), bei einer unglaublich lustigen Stimmung. Auch das Fußballspiel war ein Erlebnis, es spielten Ajax Capetown gegen die Sundowns. Mir wurden von den Fans alle möglichen Sundowns-Lieder beigebracht und neben dem Gesang musste ich feststellen: Die Vuvuzela lebt noch!
 Das Fußballspiel. Den Mann links kenne ich nicht, er hat mir aber unermüdlich Sundowns-Lieder beigebracht. In der Mitte ist Samkelo
 Die Godfellaz Rap-Crew aus Khayelitsha und ich!

Gestern hat sich endlich die Gelegenheit zum Joggen gefunden: Ich habe beim Khayelitsha fun-run mitgemacht. Dazu musste ich vorher mit meinem kleinen Gastbruder zur Radiostation von Khayelitsha gehen und mich anmelden. Als Sam von meinem Vorhaben erfuhr, meldete er sich kurzentschlossen ebenfalls an. Also stand ich um sechs Uhr morgens auf, und fand mich um sieben Uhr beim Startpunkt ein. Mir bot sich ein unglaubliches Bild: Menschen denen man ansah dass sie arm waren hatten kaputte Schuhe, eine zerrissene Hose und einen ebenso zerrissenen Pullover. Trotzdem machten sie sich warm für den Lauf, den sie nicht verpassen wollten. Es gab keine Startzeit, als der Mann mit dem Mikrofon sich entschieden hatte dass alle da waren gab er den Startschuss. Es ging durch viele Gebiete von Khayelitsha, und ich konnte nicht anders als mich beim Laufen interessiert umzusehen. Im Ziel wurde nicht gezählt, auch meine Zeit musste ich von der einzigen vorhandenen Stoppuhr ablesen und mir merken ( 9Km / 40min! ). Im Ziel unterhielt ich mich mit Sam, bis ich von einer mir unbekannten Person mitgezerrt wurde. Ich wurde in einen Van beordert und drinnen erfuhr ich: es gibt ein Radiointerview mit mir und zwei anderen Läufern! Als einziger Mlungu (weißer) war ich für die Moderatoren am interessantesten und ich wurde über alles ausgefragt. Ich konnte sogar schon mit einigen Xhosa-Kenntnissen glänzen wie (Molo (Hallo), ewe (Ja), Kunjani (wie geht’s?) und diphelele nam (mir geht’s gut)).
Als ich dann zur Zenzeleni-Schule kam, um bei dem stattfindenden Aktionstag mitzuhelfen, kamen einige Lehrer zu mir: „Jonas, wir haben dich im Radio gehört!“. Nun kennt mich also schon halb Khayelitsha...