Die
Menschen in meiner Nachbarschaft, Kulani-Park in Khayelitsha, zeigen
tagtäglich eine bewundernswerte Hilfsbereitschaft. Wenn es jemandem
nicht gut geht, dann ist der erste der das sieht auch zur Stelle und
hilft womit er kann.
Wenn
die arbeitslosen in der Nachbarschaft Geld brauchen, dann werden sie
für ein paar Tage bei denjenigen angestellt, die eine feste Arbeit
haben. Dann wird der Zaun für ein paar Rand von Farbe befreit oder
ähnliches. Auch bei meiner Gastfamilie arbeitet unter der Woche ein
etwas heruntergekommener Kerl, der aber davon absieht sich kriminell
irgendetwas zu beschaffen. Lieber arbeitet er und macht eine Einfahrt
zu dem Haus von meiner Gastfamilie. Dafür gibt es dann ein paar
Rand, gerade so viel, dass er davon leben kann.
Allerdings
gibt es hier Regeln, nicht geschrieben, aber jeder hält sich daran.
Es gibt klare Regelungen was welche Altersgruppe machen darf, wer mit
wem zu tun haben darf. Nachdem ich mit ein paar gleichaltrigen
Jugendlichen etwa vor einem Monat immer mehr gemacht hatte, nahm mich
Nathi, ein guter Freund mittlerweile, zur Seite.
Er sagt mir, dass
ich mich entscheiden müsse ob ich mit zu den Goodfellaz gehören
möchte oder nicht. Denn wenn dem so wäre, dann könnte ich nicht so
viel mit ihm, Bonani und ein paar anderen gleichaltrigen machen.
Mittlerweile habe ich ein ganz gutes Maß gefunden, den Goodfellaz
nicht den Rücken gekehrt, ich mache aber mehr mit Nathi und Bonani,
die zwei Häuser weiter und gegenüber wohnen. Noch weiter unterteilt
sind die Jugendlichen meines Alters in welche, die Drogen nehmen (vor
allem Chrystal Meth rauchen) und die die es nicht tun. Es gibt keinen
Streit unter den beiden Gruppen, aber wenn einer von den Junkies
abends mit meinen Jungs rumhängt, dann wird er auch schon mal vom
Grundstück geschmissen. Sehr besorgt und nett sagen mir Nathi und
Bonani, vor allem aber auch meine Gastfamilie wo ich mit wem hingehen
kann und wo nicht.
Sam
habe ich mit zum Stadion genommen, zum Spiel Kaizer Chiefs gegen Ajax
Capetown. Das war kein Problem aus Sicht von Nathi und Bonani sowie
der restlichen Jungs, die mir diese Regel gestellt haben. Ich kann
abends am Wochenende mit den Jungs in der Nachbarschaft etwas
unternehmen, wir sind eine große Gruppe und ich fühle mich super
sicher.
Das
Fußballspiel war ein Muss, bei den Kaizer Chiefs spielt nämlich
mein absoluter Lieblingsspieler: Tshabalala! Er war der erste
Torschütze der WM in Südafrika. Das Photo aus der Sueddeutschen
erinnere ich als wäre es gestern gewesen. Tshabalala hat gerade den
Ball berührt, er befindet sich in der Luft, jeder Muskel seines
Körpers ist gespannt. Das Spiel war nicht so klasse, die Chiefs
haben verloren.
Neben
all dem schönen gehen hier im Township schreckliche Dinge vor sich.
Ein wenig weiter die Straße runter wurde ein Einfahrtstor zu einem
kleinen Haus geklaut. Das passiert, weil arme Menschen aus den noch
heruntergekommeneren Teilen Geld brauchen. Dann bedienen sich einige
da wo es gerade geht...
Die Straße in der ich wohne
Diesen
Vorgang hat eine Frau aus meiner Straße beobachtet, so bekamen die
Besitzer des gestohlenen Tores den Namen und die Adresse des Diebes.
Der wurde dann gepackt und zur Polizei gebracht. Die hat ihn nach
fünf Minuten wieder laufen lassen. Dieser Dieb lief dann provokant
durch die Straße als wollte er sagen "ihr könnt mir gar
nichts!". Die sehr wütenden Bewohner schnappten sich den Dieb
und zwängten ihn in ein Auto, begannen ihn zu würgen. Dieser
zappelte im Auto herum und war nachher kaum noch im Stande zu reden.
Dann wurde der Kerl aus dem Auto gezogen und an die Garage mit dem
geklauten Gate gestellt. Ein Mann packte seinen Kopf und schlug ihn
gegen die Garagenwand und mit den Fäusten ins Gesicht, währenddessen
sammelten sich immer mehr Menschen um den Dieb, ich verzog mich mit
ein paar freunden in eine Einfahrt. Die Menschenmenge begann mit
Ziegelsteinen auf den Kopf des Kerls einzuschlagen, eine Bewohnerin
holte ein großes Messer und stach auf die Arme und den Rücken des
Diebes ein. Halb ohnmächtig konnte dieser sich vor nichts schützen.
Er wurde zu Boden geworfen, jeder durfte auf ihm herumtrampeln und
ihn treten. Mit einer Peitsche wurde ihm ins Gesicht geschlagen,
tiefe Rillen zogen sich durch sein Gesicht. Irgendwann verriet er den
Namen des Mittäters und während ihn die einen zu der Adresse
schliffen holten andere kochendes Wasser und gossen es über dem halb
leblosen Körper. Ich musste das alles von meiner Einfahrt
mitansehen, diskutierte derweil mit den Jugendlichen ob das
gerechtfertigt ist oder nicht.
Das
ist die Art von Justiz die hier herrscht, wenn die Polizei nichts
macht.
Es folgten bestimmt hundert Menschen dem Dieb.
Der
Mittäter war nicht zuhause und so kam die weiter gewachsene Menge
mit dem Dieb in der Mitte wieder. Mittlerweile war ihm ein Reifen
umgelegt worden und meine Jungs (die das glücklicherweise auch nicht
so toll fanden) zogen mich mit sich "this is too sad to watch
it" sagten sie. Nach meiner Nachfrage antworteten sie, dass die
Menge den Dieb mit Benzin übergießen wollte um ihn lebendig zu
verbrennen. Glücklicherweise hatte die Polizei von der Aktion Wind
bekommen und der Menschenmenge folgte die ganze Zeit ein Polizeiauto.
Als es dann an die Verbrennung ging, waren auf einmal sehr viele
Polizeiautos vor Ort und umkesselten die Menschenmenge. Ein Trupp
Polizisten stieß durch die Menge und schnappte sich den Kerl. Der
wurde dann in ein Krankenhaus gebracht und hat glücklicherweise
überlebt wie ich gehört habe.