WAHLTAG
UND DIE AUSSICHTEN – Ein Plädoyer für nichts
Gestern waren die Wahlen in Südafrika.
Ich wollte eigentlich schon seit Wochen mehr über die Parteien und
deren Programme lesen. Das hat nie geklappt. Ich lese hier keine
Zeitung und bin so gut wie nie Internet, schon gar nicht zum surfen.
Dieser Mittwoch war ein freier Tag, Public Holiday. Die meisten
Menschen hatten Frei.
Nun, am gestrigen Wahltag hatte auch ich
Zeit. Als ich an der Bushaltestelle wartete, konnte ich das meiner
Section nächstgelegene Wahllokal beobachten. Ein ungefähr doppelt
so großer Werbestand des ANC (African National Congress) stand einem
kleineren der DA (Democratic Alliance) gegenüber – die beiden
größten Parteien. Die Stimmung war gut, genau wie das Wetter.
Freundlich grüßende Menschen passierten die Bushaltestelle, ein
Herr kam zu den an der Bushaltestelle wartenden Menschen, schüttelte
ihnen und mir die Hand, wünschte einen schönen Tag. Sehr angenehm,
Kontakte ohne die anschließende Frage nach ein paar Rand zu haben.
Viele Minitaxis waren mit ANC-Flaggen bestückt und nicht selten
schallten ANC-supportende Rufe über die Straße.
Im Bus setzte ich mich ans Fenster und
beobachtete die Lage in Khayelitsha. Nie zuvor habe ich so viele
Menschen außerhalb der Häuser gesehen: In kleinen Gruppen zogen sie
durch die Gassen, viele von ihnen auf dem Weg zum wählen. Andere
standen vor ihrer Haustür, wuschen Wäsche in Bottichen. Andere
wieder starteten neue Projekte, als hätten sie nicht einen Tag,
sondern mehrere Wochen frei. Bretter für Shack-Anbauten wurden
zurecht gesägt, verrostete Nägel aus den Brettern entfernt, einige
Schaks hatten nicht sehr stabile aber gut gemeinte Vorrichtungen für
den neuen Anbau. Khayelitsha war am pulsieren. In den
Schack-Gebieten wo keine öffentlichen Gebäude waren in denen man
die Wahlen hätte abhalten können, wurden große Zelte errichtet.
Sie standen windschief auf den vermüllten Wiesen mit der Aufschrift
„Voting station“. Da die Supermärkte geschlossen waren, blühte
das Geschäft der Straßenverkäufer. Die aus Holzbrettern
bestehenden Stände bogen sich unter der Last von Orangen, Äpfeln
und Weintrauben.
Immer wieder hörte ich in den letzten
Tagen von der sogenannten „Born free“-Generation. Die erste
Generation die nicht im Apartheid-System geboren wurde und nun wählen
darf. Zuma sollte um seine Wiederwahl bangen, hieß es.
Es gibt die „Born free“-Generation,
gar keine Zweifel. Aber ich habe noch nie so sehr von den Eltern
abhängige jugendliche erlebt wie hier in Südafrika.
„Ich würde den Traum meiner
Vorfahren zerstören, wenn ich nicht den ANC wähle“ höre ich
immer wieder. Außerdem ist es hier üblich, dass längst erwachsene
junge Menschen bis sie dreißig Jahre alt sind bei ihren Eltern
leben. Den Eltern wird aufs Wort gehorcht und vor allem Mädchen,
selbst wenn sie über zwanzig Jahre alt sind, verschweigen ihren
Eltern dass sie in einer Beziehung sind. Das zeugt von höchsten
Respekt den älteren gegenüber. Diese Generation ist vielleicht
„Born free“ aber es herrscht keine starke Meinungsfreiheit.
Niemals würden sie die Linie der Vorfahren brechen und eine andere
Partei als den ANC wählen. Es ist ihnen egal wie weit die
Korruptionsvorwürfe gehen, der ANC hat nach der Apartheid viel für
die Bürger gemacht, aber auch viel falsch gemacht.
Eine Alternative zum ANC wäre die DA.
Helen Zille, eine weiße, steht an der Spitze. In der gesamten
Führungsriege sind nur zwei schwarze und ein coloured Politiker
vertreten. Auch wenn diese Partei eine bis jetzt nicht korrupt
aufgetreten ist, ist es doch verständlich dass sie nicht allen
Zuspruch bekommt. Ihre Führung, mag sie auch noch so sehr für die
schwarze Bevölkerung Südafrikas arbeiten, besteht aus mehr als der
Hälfte weißer Politiker. In Wirklichkeit stellen die weißen
Südafrikaner eine Minderheit von knapp 9% dar.
Eine wenig andere Alternative wären
noch die EFF, die Economic Freedom Fighters um Julius Malema, dem
früheren Jugend-Präsidenten des ANC. Er ist ein charismatischer
Vorsitzender, lebt aber ein ähnliches Leben wie Zuma, bestehend aus
teuren Autos, Frauen und Luxusbauten. Im Wahlkampf glänzt Malema mit
haltlosen Versprechungen, zum Beispiel Sozialhilfen zu verdoppeln.
Wenn eine Person 1200 Rand Hilfen bekommen würde, würde sie bei
einem Wahlsieg Malemas fortan 2400 Rand bekommen. Mit der Wahl der
EFF fiele die Wahl wieder auf Korruption und unhaltbare
Versprechungen.
Am schwersten hat es die
coloured-Minderheit Südafrikas. Wie die weiße Bevölkerung stellt
sie eine Minderheit von knapp 9% dar. In der Apartheid-Zeit hatten
sie nicht die Rechte der weißen, hatten aber auch nicht so stark zu
leiden wie die Schwarzen. Dem Apartheid-System waren die Coloureds
nicht weiß genug, nun sind sie nicht schwarz genug. Der ANC schmähte
in den letzten Jahren Hilfen für die coloured-Townships, es wurden
keine Regierungshäuser gebaut wie in den Townships der schwarzen
Bevölkerung. Sollen sie etwa noch den ANC wählen?
Oder sollen sie die DA um Helen Zille
wählen, mit einem einzigen coloured-Politiker in der Parteiführung?
Die schwarze Mehrheit in Südafrika,
fast 80%, kann dagegen entscheiden: Der ANC ist eine weitgehend
schwarze Partei, ebenso wie die EFF und der COPE (Congress of the
People).
Sollte ich kleiner, weißer, deutscher,
nicht wahlberechtigter Bürger hier wählen dürfen: ich würde mein
Kreuz über den ganzen Stimmzettel machen.
Das ist ein bisschen destruktiv und es
gibt viele kleine Parteien deren Wahlprogramm danach ruft für sie zu
stimmen, aber das Problem dabei ist: die kleinen Parteien sind in
bestimmten Regionen Südafrikas entstanden und basieren auf den
Problemen dieser Region. Die NFP (National Freedom Party) kann in Kwa
Zulu Natal prima regieren, wäre aber mit dem ganzen Land heillos
überfordert. Eine weitere Gefahr bei der Wahl kleinerer Parteien
wäre, dass sie der Provinz der sie entstammen eine starke
Weiterentwicklung ermöglichen würden, den anderen Provinzen nicht.
Südafrika befindet sich in einer sehr
eindeutigen aber nicht zufriedenstellenden politischen Lage, deshalb
ist es wohl für die Einwohner das beste, die Partei zu wählen die
in Südafrika das Ende der Apartheid bedeutet: den ANC.
Ich tippe der ANC wird keine zwei
drittel Mehrheit erlangen, daher mit den anderen Parteien im
Parlament zusammen arbeiten müssen, wird aber auch die fünften
demokratischen Wahlen deutlich gewinnen.