„Ich habe gegen die weiße
Vorherrschaft gekämpft, und ich habe gegen die schwarze
Vorherrschaft gekämpft. Mein treuestes Ideal ist eine freie und
demokratische Gesellschaft, in der alle in Harmonie mit gleichen
Chancen leben können. Ich hoffe lange genug zu leben, um dies zu
erreichen. Doch wenn dies notwendig ist, ist dies ein Ideal, für das
ich zu streben bereit bin.“
- Mandela 1964 bei seiner
Verteidigungsrede im Rivonia-Prozess -
Als ich nach etwas wenig Schlaf meine
Augen öffnete und auch meine Ohren wieder täuschungslos
funktionierten merkte ich, dass der Fernseher lief. Noch im Bett
liegend griff ich nach meinem Telephon und sah eine Email von meinem
Vater, versehen mit der Nachricht von Mandelas Tod. Der Fernseher
bestätigte mir die Nachricht.
Absehbar, aber trotzdem überrumpelnd
war das Dahinscheiden von Mandela. Ich hatte mir etwas großes
vorgestellt, was an diesem Tag passiert.
Eine riesige Trauer, vielleicht ein
ruhendes Capetown, eigentlich hatte ich mir gedacht, dass im ganzen
Land nichts so richtig läuft.
Ich weiß auch nicht genau wie das
ausgesehen hätte, aber ich dachte das Land würde für einen
bestimmten Zeitraum den Atem anhalten. Nichts dergleichen.
Ich setzte mich einmal kurz aufs Sofa,
dachte an den Mann über den ich eigentlich kaum etwas wusste, denn
außer dass er Südafrika aus der Apartheid geleitet hatte, - er war
zumindest das Gesicht dieser Befreiung - und dass er sehr lange (mehr
als ein Viertel seines Lebens) im Gefängnis gesessen hatte, wusste
ich wenig. Außerdem: nach einer Ewigkeit grundlos eingesperrt aus
dem Gefängnis heraus zu spazieren und keine Rachegedanken zu hegen,
Respekt.
Dann schob ich mir meine Zahnbürste in
den Mund, putzte die Zähne, packte meine Schulsachen, aß noch
schnell etwas und ging die Straße hinauf zum Lookout-hill. Die kurze
Wartezeit am Straßenrand ließ mich feststellen: Menschen waren am
Sport machen, riefen einander zu, gingen in kleinen Gruppen an mir
vorbei, Autofahrer waren überall, so viele und so bescheuert wie eh
und je. Kein stilles Capetown geschweige denn eine stille Nation.
Jeder ging seiner Wege.
Die Zeitungen druckten zwar von der
ersten bis zur letzten Seite nur Artikel von Mandela, und im
Fernsehen wurde immer wieder auf jedem Sender Mandelas Leben zusammen
gefasst, aber das war auch das Mindeste. Als ich am Nachmittag in der
Innenstadt war, fand eine Trauerfeier auf dem Platz vor dem Rathaus
statt.
Das Land brauchte eine Zeit lang um zu
begreifen, was passiert war. Denn als ich eine Woche später losfuhr
auf meinen Roadtrip durch das Land, sah man überall Schilder am
Straßenrand hängen: „hamba kakuhle Madiba“ (geh in Frieden,
Mandela) jeder Ort, war er auch noch so klein, hatte einen eigenen
Abschiedsgruß an Mandela. Um alle dieser Wünsche an den
verstorbenen Freiheitskämpfer zu lesen, war der Roadtrip genau
richtig. Den Einwohnern Südafrikas war Mandela wohl doch wichtiger
als es erst aussah. Ich versuchte noch eine Karte zu bekommen für
die große Gedenkfeier im Greenpoint Stadium von Capetown, aber die
waren schon am ersten Tag komplett ausverkauft, in jeder größeren
Stadt. Schade, dort wäre ich gerne gewesen.
Auf unserem Weg ins Easterncape, wo
auch Mandela geboren wurde fand in Johannesburg die größte
Versammlung von Staatsoberhäuptern statt, die es je gegeben hatte.
Mandela bedeutete der ganzen Welt viel, schon zu Lebenszeiten wurden
ihm Denkmäler gebaut und Straßen, öffentliche Gebäude und Plätze
nach ihm benannt. Mandela wurde zehn Tage später gar nicht weit von
uns im Easterncape in seinem Heimatdorf Qunu begraben.